Emily Piwowar -
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Serie: Sonnenallee

Emily Piwowar

Hannover, 23 Jahre

Deutscher Jugendfotopreis 2018
Freie Themenwahl | Altersgruppe D (21-25 Jahre)

Auszeichnung 300 € 

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Interview

Wie bist du auf die Idee zu deiner Serie gekommen?
Generell finde ich es äußerst interessant und spannend, wie Schaufenster dekoriert werden. Ich frage mich sehr oft bei den absurdesten Darstellungen von Produkten oder Inhalten, wie man auf diese Idee der Visualisierung kommt. Welcher Mensch, oder eher gesagt, welcher Gedanke steckt dahinter, dass man zu der Überzeugung kommt, dies nun so oder so zu platzieren: „Ach – joa, ich glaube, das spricht jetzt die Masse an. Also, ja, das zieht jetzt – jetzt kommen sie, die Leute.“ Darüber wundere und amüsiere ich mich oft, wenn ich durch Städte laufe und habe daher für Schaufenster immer einen ganz besonderen Blick.

Was ist das Besondere an der Sonnenallee?
Die Sonnenallee ist eine der Hauptstraßen vom Berliner Stadtteil Neukölln. Dieser Bezirk ist geprägt durch seinen hohen Ausländer-Anteil bzw. Bewohner mit Migrationshintergrund. Neukölln hat durch seine Einwanderungsgeschichte eine eigene arabisch-türkische Infrastruktur aufgebaut, die sich durch Restaurants, Cafés, Kiosks, Friseurläden und Einzelhandel für den täglichen Bedarf auszeichnet. Die Sonnenallee ist Zentrum dieses Lebens und dieser Struktur, die im Gegensatz zu den Nebenstraßen noch nicht (deutlich) von der Gentrifizierung betroffen ist. Ich empfinde die Straße deswegen als besonders, da sie wie ein „Integrations-Beispiel“ fungiert und Konflikte sowie Lösungen direkt zu beobachten sind. Es scheint wie eine eigene kleine Welt, die ihr System gefunden hat und man nur an der nächsten Station einsteigen muss – freie Plätze gibt es, man muss sich nur das Ticket holen.

Was war dir wichtig, worum ging es dir dabei?
Mir war es wichtig, genau dieses beschriebene „Zentrum der Infrastruktur" darzustellen. Bei meiner Arbeit war es mir wichtig, nicht zu sehr in Stereotypen zu denken, keinen Klischees zu verfallen, aber auch keinen zu „erzwungen anderen Blick“ aufzuerlegen. Das war ein Konflikt, der mich durchgehend während meiner Arbeit begleitet hat. Der Konflikt war aber auch wichtig, um jeden Tag mit neuem Blick durch die Straße zu gehen und neue Dinge zu entdecken oder schon gesehene Dinge anders zu betrachten. Der gleiche Prozess lief auch beim Durchgucken der Bilder immer wieder ab. Ich habe die Straße während der Entstehungszeit (das waren so circa 2-3 Wochen) immer wieder neu entdeckt, neu kennengelernt.

Was hat dich zu den Gegenüberstellungen bewogen?
Neukölln gehört zu einem der dicht besiedelten Stadtteile Berlins. Die Sonnenallee als Zentrum des Bezirks ist bunt, belebt, laut, dynamisch, immer aktiv, immer da. Die Sonnenallee schläft nie. Diese Gegend ist Inbegriff des Multi-Kulti, zumindest, wenn man es so beschreiben will: „Da geht Multi-Kulti auf“. Ich wollte die Leute und vor allem die Läden/Ladenbesitzer kennenlernen, die dieser Straße ihr Gesicht geben. Die Sonnenallee ist gekennzeichnet durch ein bestimmtes Schema, welches sich durch wiederholende Läden kennzeichnet: Friseure, Restaurants, Cafés, Kioske und kleiner Einzelhandel. Dazwischen befinden sich lauter kleine Abstecher, die in ihrer Erscheinung skurriler, absurder oder völlig unpassend platzierter nicht sein können. Sie ergeben alle ein weiteres Puzzleteil zu dem irgendwie doch wieder zusammenpassenden Gesamtbild. Das Gesamtbild ist jedoch gekennzeichnet durch in sich starke Kontraste. Diese äußerst unterschiedlichen, in ihrer Visualität sowie in ihrer Funktion völlig unterschiedlichen Läden, waren für mich ein wichtiger Punkt, der mich zu der Gegenüberstellung von Einzelbildern bewogen hat. Damit wollte ich die Diversität und die Kontraste innerhalb einer Straße verdeutlichen.

Was fotografierst du am meisten? Welche Motive bei welchen Gelegenheiten?
Ich fotografiere gerne rund um die Absurdität des Menschen. Gerne nähere ich mich Themen, die mir fremd oder skurril vorkommen, und nähere mich so anderen Welten. Somit setze ich mich mit Dingen auseinander, an die ich Fragen habe, deren Faszination ich nicht nachvollziehen kann und die ich somit näher beleuchten will. Des Weiteren arbeite ich gerne in dokumentarischen Serien, oft auch in Portraits.

Welche persönliche Bedeutung hat die Fotografie für dich?
Die Fotografie war für mich immer das stärkste und wichtigste „Organ“ des Journalismus. Ein Foto vermittelt dem Betrachter ein Gefühl, auf einen Schlag, unabdingbar. Ich finde es faszinierend, wie ein sachlicher Kontext durch eine fotografische Untermalung sein Gesicht bekommt, seinen Charakter, seine Bedeutung. Ohne Fotografie wäre die Welt ärmer, da wir sie nicht erzählen könnten. Man kann Erzähltes nur in erzählender Form wiedergeben, aber Erlebtes in visueller, „erlebender“ Form. Eine Fotografie liest du nicht, du erlebst sie. Für mich ist die Fotografie Ausdruck von (meinen) erlebten Geschichten und Gefühlen, die ich vermitteln will. Ob sachlich, faktisch oder rein emotional. Mit keinem anderen Medium gelingt es besser zu erzählen – das ist meine persönliche Bedeutung der Fotografie.

Hast du Vorbilder in der Fotografie?
Jein, ich habe manche Fotografen, deren Stil ich sehr mag oder wo einzelne Arbeiten mich nachhaltig geprägt haben. Vorbilder würde ich es nicht nennen, denn die Formulierung beinhaltet ja schon die Beschreibung des „Vor-Bilds“, welches in der Fotografie per se nicht möglich ist und eine Nachahmung ja auch nicht erstrebenswert ist. Ich finde viele Fotografen_innen aus verschiedenen Gründen beeindruckend, spannend, interessant oder bereichernd. Martin Parr ist ein Fotograf, dessen Stil mir sehr gefällt. Und eine Arbeit, die mir nachhaltig im Kopf geblieben ist, heißt „IN SECURITY“ von Nils Stelte.

Wo und wem zeigst du deine Bilder? Stellst du deine Fotos aus?
Ich bespreche die Bilder in der Hochschule und mit Freund_innen, was auf jeden Fall den größeren Anteil an meiner Auseinandersetzung mit meinen Bildern hat. Ausstellungen dieses Jahr waren bei der Triennale der Photographie in Hamburg und auf dem LUMIX Festival für jungen Fotojournalismus in Hannover. Bei beiden Foto-Festivals habe ich im Rahmen des Kooperationsprojekts „Youth in Europe“ ausgestellt, welches eine Zusammenarbeit zum Thema Jugend zwischen der Magnum SPEOS-School in Paris, der Danish School of Media and Journalism in Aarhus und meiner Hochschule in Hannover war.

(Wo) findet man deine Bilder im Internet?
Ja, einmal auf Instagram: @emilypiwowar oder auf meiner Website (www.emilypiwowar.com), die aber noch sehr in den Anfängen steckt.

Wie bist du auf den Deutschen Jugendfotopreis aufmerksam geworden?
Ich bin auf den Deutschen Jugendfotopreis durch die Hochschule und meine Kommiliton_innen gekommen.

 

 

Preisträgerfotos + 2018 + Alter: 21–25 Jahre