Lara-Marie Weine
Gießen, 22 Jahre
Deutscher Jugendfotopreis 2022
Jahresthema: Wir – Was uns verbindet
Auszeichnung 300 €
Interview
Das Jahresthema lautete „Wir – Was uns verbindet“. Hattest du hierzu spontan eine Idee?
- Es ist faszinierend und erschreckend, wie stark das Jahresthema den Zahn der Zeit getroffen hat. Mehr denn je sind zwischenmenschliche Beziehungen im Wandel und immer wieder wird gefragt: Was macht das aus, das Miteinander - besonders, wenn man es nicht mehr sein kann? Das Bild ist eigentlich in einem anderen Kontext entstanden, u. a. die Beschäftigung mit der Familie(ngeschichte) aus eben diesen Fragen heraus. Es ist mir wie in die Hände gefallen, als ich das Jahresthema gesehen habe.
Was war dir wichtig, was möchtest du mit deinem Bild vermitteln?
- Meine Großmutter ist 97 Jahre und lebt weit weg vom Rest der Familie. Trotz der Pandemie hatte ich vergangenen Sommer das Glück, ein paar herzerwärmende Tage mit ihr zu teilen. Wenn wir beisammen sind, ist das immer ganz vertrauensvoll; so war das schon immer. Sie erzählt gerne von ihrer Jugend, wir teilen Momente des Erinnerns. Vier Tage lang habe ich ihr zugehört und in alten Fotoalben und Dokumenten gestöbert. Es tat gut, die Einsamkeit auf beiden Seiten wegzupacken und sich ganz nah mit ihr und ihren Geschichten zu beschäftigen. Das Selbstporträt zeigt das Festhalten dessen, was nicht festgehalten werden kann: Die schnelle Vergänglichkeit unserer Leben und die Zeitlosigkeit des berührenden Momentes, den wir zusammen verbringen.
Was fasziniert dich an dem Bild?
- Das Bild spiegelt unsere Beziehung sehr gut wider. Besonders der ähnliche Ausdruck im Gesicht, der klare Blick in die Kamera begeistert mich an dem Foto. Das habe ich in dem Moment nicht sehen können und war dann ganz fasziniert, als ich die Streifen zum Trocknen im Labor aufhing. Das ist ja das Schöne und Aufregende an analoger Fotografie: der Moment des Entdeckens.
Wie ist das Bild entstanden?
- Das Bild ist eine analoge Fotografie, ein „Selfie“, im Schlafzimmer meine Großmutter mit Stativ und ohne Selbstauslöser aufgenommen. Es handelt sich hierbei um eine Canon A1-Kamera mit einem Street Candy Film 400 ISO. Die Bilder habe ich selbst im Fotolabor unserer Uni entwickelt.
Fotografierst du lieber in Schwarz-Weiß?
- Ich fotografiere sehr gerne in Schwarz-Weiß, besonders Menschen. Das Abhandensein der Farben macht etwas mit den abgebildeten Menschen. Es verändert den Ausdruck, es lenkt nicht ab. Es lässt uns etwas erahnen, das wir mit bloßem Auge nicht erfahren können: Geschichten.
Wie bist du zur Fotografie gekommen?
- Meine Mutter hat in ihrer Jugend Fotos im selben Labor an der Uni entwickelt, mein Vater hat in meiner Kindheit unseren Alltag gefilmt. Als Teenagerin habe ich irgendwann die Analogkamera meiner Mutter als Dauerleihgabe bekommen und mit Freundinnen Fotos gemacht und herumexperimentiert. Vor zwei Jahren habe ich mir dann meine eigene Kamera gekauft.
Wer inspiriert dich?
- Es begegnen mir immer wieder Menschen, die mich auf dem Weg der Fotografie begleiten. Momentan sind es Talisa und Simon, die ich durch das Studium kennenlernen durfte, die mit mir die Liebe zur Fotografie teilen, ihr Wissen und Kameraequipment leihen und durch ihre Leidenschaft mich immer wieder motivieren weiterzumachen, neu anzufangen, nicht aufzuhören.
Was fotografierst du am meisten?
- Momentan fotografiere ich meist unterwegs und am liebsten im Ausland, da ist es meistens unkomplizierter, Menschen freiwillig vor die Kamera zu bekommen.
Wie hat sich die Corona-Zeit auf deine Art zu fotografieren ausgewirkt?
- Die Anfänge der Pandemie waren eine unglaublich schwierige Zeit für mich. Ein fachfremdes Präsenzseminar über analoge Fotografie hat mir geholfen, wieder zu meiner Kreativität zu finden. Vor der Pandemie habe ich eher digital fotografiert, mit der Kameratechnik habe ich mich erst dann näher beschäftigt. Ich habe angefangen, vermehrt analog zu fotografieren, zu entwickeln und andere Techniken auszuprobieren, wie bspw. Collage (analog und digital).
Wo und wem zeigst du deine Bilder?
- Meine Bilder und Arbeiten bleiben meistens im kleinen Kreise. Nichtsdestotrotz haben Talisa und ich vor kurzem einen gemeinsamen Fotoaccount auf Instagram angefangen.
Woran arbeitest du gerade?
- In meiner nächsten Arbeit möchte ich mich gerne mit Männerakten beschäftigen… davon gibt es noch nicht genug ;)
Welche persönliche Bedeutung hat die Fotografie für dich?
- Fotografie ist magisch: Sie fängt den flüchtigen Charakter des Momentes ein und zeigt gleichzeitig, sonderbarerweise, die Unmöglichkeit, die um uns herrschende Vergänglichkeit aufzuhalten. Sie ist Spiegel der Gesellschaft und ihr Ausdruck zugleich, sie ist die Sichtbarmachung der Vereinigung des Menschens stärksten Wunsches und seiner größten Furcht. Fotografie ist Ewigkeit und Tod zugleich.