Aus dem Fotobuch: Animalia maritima
Arbeitsgruppe Fotografie am Thomas-Mann-Gymnasium
München, Ø 15 Jahre
Deutscher Jugendfotopreis 2014
Freie Themenwahl | Altersgruppe B (11-15 Jahre)
3. Preis 300 €
Jurybegründung
Cyclichthys orbicularis, Asterias rubens, Salmo salar… nein, kreuzworträtselgeeignet sind die Bildtitel in diesem Fotobuch wahrlich nicht. Jedoch fügt sich die wissenschaftliche Bezeichnung perfekt in die kategorisierende Darstellung dieser Meerestiere ein und verleiht ihnen noch einen Hauch mehr Exotik. Für ihre ungewöhnlichen Bilder der „Animalia maritima“ experimentiert die AG des Münchner Thomas-Mann-Gymnasiums mit der Scanografie – und erzeugt Kunst am Scanner. So entstehen fotorealistische Aufnahmen von Meerestieren, die in ihrer brillanten Farbigkeit und Tiefenschärfe faszinieren. Glückwunsch zu einer handwerklich auf hohem Niveau umgesetzten und ansprechend präsentierten Gruppenarbeit!
Interview
Wie seid ihr auf die Idee zu eurer Serie gekommen und worum geht es euch dabei?
- Für die Ausstellung zum Schuljahresende haben wir erst das Projekt, dann die Motive und schließlich die am besten geeignete Technik diskutiert. Wir haben uns sehr schnell auf die Inhalte von Animalia Maritima geeinigt. Manche von uns waren ziemlich skeptisch, haben dann aber eifrig mitgemacht, als sie die ersten Aufnahmen gesehen haben.
Wie sind die Bilder entstanden? Welche Technik(en) habt ihr benutzt?
- Unsere Bilder sind streng genommen keine Fotografien, sondern "Scanogramme". Hierbei werden die "Motive" auf die Glasfläche eines Flachbettscanners gelegt und "eingescannt". Der entscheidende Vorteil dieses Verfahrens ist die enorm hohe Auflösung der Bilder, die die Betrachtung fast schon mikroskopischer Strukturen erlaubt. Vermeintlich nachteilig ist der ziemlich geringe Schärfentiefenbereich von wenigen Millimetern, die Tatsache, dass nur unbewegliche Objekte aufgenommen werden können und die Größenbeschränkung des Objekts auf das Aufnahmeformat des Scanners.
Wie leicht war es, die gewünschten Tiere zu organisieren?
- Das hat uns gerade einmal einen Nachmittag gekostet. Wir sind zum Marienplatz gefahren. Da gibt es einen großen Markt mit verschiedenen Fischgeschäften. Wir haben unsere Nasen an den Schaufenstern platt gedrückt und uns dann lange beraten. Jeder von uns hat ein oder zwei Tiere gekauft, diese mit nach Hause genommen, in den Kühlschrank gelegt und am nächsten Tag in die Schule mitgebracht.
Mal Hand aufs Herz: Wie sehr hat es im Arbeitsraum gestunken?
- Ganz ehrlich, es hat ziemlich "gerochen". Eigentlich waren die Tiere ja ganz frisch. Aber wir mussten ihre Oberflächen gut föhnen, damit sie trocken waren, bevor sie auf die Scanner gelegt wurden. Auch die Glasscheiben der Scanner haben wir warm gemacht, um die Kondenswasserbildung zu vermeiden. Durch die Hitze haben sich einige der Krebstiere, die ursprünglich schwarz oder farblos waren, rot gefärbt, was unserem künstlerischen Konzept durchaus entgegenkam.
Hat es das ein oder andere Tier noch in die Küche geschafft?
- Ja, die Strandkrabbe! Zwei von uns hatten die Krabbe auf dem Scanner liegen, als sie anfing, wild mit den Beinen zu zappeln! Sofort war der Kursleiter da und meinte: "Das sind nur neuronale Zufallsentladungen..." oder so ähnlich. Als die Krabbe dann aber immer heftiger zappelte, musste selbst Herr v. Zeppelin (Biologielehrer) zugeben, dass das Ganze mit neuronalen Zufällen nichts mehr zu tun hatte. Keinem von uns war klar gewesen, dass wir eine lebende Krabbe gekauft hatten, die vom Verkäufer auf Eis gelegt worden war. Ja, und dann haben wir das Tier eben gekocht und danach die Scans gemacht. Eine Schülerin, deren Eltern Franzosen sind, hat die Krabbe später mit nach Hause genommen.
Warum habt ihr genau diese Bilder ausgesucht? Was fasziniert euch an ihnen?
- Diese Frage wurde, glaube ich, keinem von uns gestellt. Vermutlich ist es so, dass bislang nur wenige Menschen das Bild eines Tiefseefisches in so einer hohen Auflösung gesehen haben. Man erkennt Details und Feinstrukturen in einer solchen Fülle, dass man sich regelrecht in ein solches Bild "vertiefen" muss. Außerdem haben die Originalbilder auf matter Leinwand eine fast malerische Anmut.
Wo und wem zeigt ihr die Ergebnisse eurer Gruppenarbeiten? Stellt ihr eure Fotos aus? Zeigt ihr sie im Internet?
- Die analogen Schwarz-Weiß-Arbeiten, die jede Woche von uns im Fotolabor der Schule hergestellt werden, zeigen wir uns nur untereinander oder unseren Familien. Die Bilder werden besprochen und dann in einer persönlichen Mappe abgelegt. Unsere Scanogramme machen wir dagegen vor allem mit dem Ziel einer öffentlichen Ausstellung in der Aula. Jedes Jahr gibt es eine solche Ausstellung, die Bilder hängen dabei vier bis sechs Wochen. Im Internet kann man die bisherigen Ausstellungen sehen unter: www.tmg.musin.de..., ? Schulleben... ? Projekte... ? Fotokurs.
(Jordi Fischer, Klasse, Q11, Teilnehmer an den Fotokursen 2011 und 2013
Tibor v. Zeppelin, Kursleiter)
Interview mit Projektleiter Tibor v. Zeppelin
Wie kam die Idee zur eingesandten Arbeit zustande? Was war der Anlass für das Pro-jekt?
- Ganz banal: Die Teilnehmer der Arbeitsgruppe Fotografie (fünf Mädchen und fünf Jungen) und ich haben darüber beraten, was für eine Ausstellung wir am Ende des Schuljahres machen wollten. Schnell kamen wir auf das Thema "Tiere" und überlegten, exotische Fische und Meerestiere aufzunehmen, wegen ihrer fantastischen Farben, ihres unwahrscheinlichen Reichtums an verschiedenen Strukturen und der hohen morphologischen Elementarität ihrer geometrischen Formen. Leonardo da Vinci stand uns da mit seinen unglaublich schönen Tier- und Pflanzenstudien ein bisschen Pate.
Wie ist die Serie entstanden? Welche Technik(en) wurde benutzt?
- Wir benutzten das Verfahren der Scanografie, bei dem die darzustellenden Objekte auf die Glasscheibe eines Flachbettscanners gelegt werden. Mit dieser Technik lassen sich Bilder generieren, die mit keinem anderen Verfahren darstellbar sind. Außerdem benötigt man kein teures Equipment, was seiner Anwendung in der Schule sehr entgegenkommt. Die Rohscans wurden anschließend in Photoshop bearbeitet und der weiße Hintergrund mittels einer speziellen Maskentechnik erzeugt. Die Bilder haben wir abschließend mit einem Großformat-Fotodrucker auf Fotocanvas gedruckt.
Seit wann existiert die Fotogruppe? Seit wann werden Fotoprojekte durchgeführt?
- Seit mittlerweile fünf Jahren. Seit dieser Zeit veranstalten wir auch am Ende jedes Schuljahres eine große Ausstellung in der Aula mit bis zu 20 Einzelbildern im Format 1x1,4 Metern. Die Schüler und ich tragen die Kosten dabei immer selber. Die meiste Zeit verbringen wir aber mit der analogen Schwarz-Weiß-Fotografie im Labor unserer Schule. Analoge Kleinbildkameras können entliehen werden, manche Schüler haben sich eine Mittelformat- oder Großbildkamera zugelegt. Eines unserer letzten Fotoprojekte war der Bau einer begehbaren Kamera, mit der wir Negative belichtet haben, die ein Viertel Quadratmeter groß waren.
Welche persönliche Bedeutung hat die Fotografie für Sie? Welche fachliche?
- Ich kann mir mein Leben ohne die Fotografie nicht vorstellen. Schon als Jugendlicher habe ich ganze Nächte in Fotolabors verbracht, mit meinem Schlafsack und etlichen Pizzen. Fotografie kann sehr viel sein: persönliches Tagebuch, epische Erzählform und richtig tolle Kunst, die dich anspringt und nicht mehr loslässt. Außerdem ist Fotografie auch immer ein Handwerk. Überzeugende Fotografien setzen die Bereitschaft zu intensiver Arbeit voraus. Darin unterscheidet sich die Fotografie nicht von jeder anderen Kunstform. Heute beschäftige ich mich privat vor allem mit Bild-"Projekten", die manchmal über mehrere Jahre andauern und sehr persönlich sind. In der Schule fasziniert mich häufig die sehr kraftvolle Bildersprache mancher Kursteilnehmer. Einige von ihnen bringen unglaublich viel Talent mit, und ich freue mich dann so sehr über diese jungen Menschen und unsere gemeinsame Arbeit!
(Tibor v. Zeppelin, OStR, Lehrer für Biologie und Chemie und Leiter der Arbeitsgruppen Fotografie am Thomas-Mann-Gymnasium, München)