Ingmar Björn Nolting -
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Serie: Somaliland

Ingmar Björn Nolting

Leipzig, 24 Jahre

Deutscher Jugendfotopreis 2020
Freie Themenwahl | Altersgruppe D (21-25 Jahre)

Hauptpreis 500 € 

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Jurybegründung

Lebensalltag in Somalia: Das Wasser muss von der Wasserstelle nach Hause getragen werden. Frauen und Männer stehen in kleinen Gruppen und unterhalten sich, Männer sitzen auf einer Tribüne und beobachten, sie warten. Und dann – seltsame Szenen: Imker sitzen, fast surreal wirkend, in einer kargen Landschaft. Truppen in roten Kostümen marschieren im Stechschritt durch fast menschenleere Straßen. Zwei Männer stehen auf riesigen Stelzen und lehnen an einer Mauer. Ein unwirklich wirkender Einblick vom Alltag in Somalia.
Die Arbeit „Somaliland“ von Ingmar Björn Nolting – das sind perfekt komponierte Bilder. Jedes Bild erzählt eine kleine Geschichte, lädt zum genauen Betrachten und Hinterfragen ein. Und zugleich handelt es sich um eine überzeugende Serie – mit einer eigenen homogenen Farbigkeit und Lichtstimmung, präzise zusammengestellt. Das sind keine Bilder zum schnellen Durchklicken, sondern Bilder, die auffordern, sich intensiver mit ihnen und der dargestellten Thematik auseinander zu setzen. Man möchte mehr erfahren über die Menschen im Bild und über das Land, in dem sie leben – was kann Dokumentarfotografie mehr leisten. Der Hauptpreis des Deutschen Jugendfotopreises in der Altersgruppe D (21-25 Jahre) geht an Ingmar Björn Nolting.

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Interview

Wie bist du auf die Idee zu deiner Serie gekommen?
- Somalia stürzte nach der Entmachtung des Diktators Siad Barre im Jahr 1991 in einen immer tiefer werdenden Abgrund aus Bürgerkrieg und Terror. Im Norden des Landes formte sich eine Insel des friedlichen Zusammenlebens: Somaliland. Vor einigen Jahren erzählte mir ein junger Mann im Zug, dass er dort bald seine Familie besuchen würde. Ich hatte bis dahin noch nichts von Somaliland gehört, begann zu recherchieren und entschied, mir vor Ort ein genaueres Bild zu machen.

Was möchtest du mit deinen Bildern vermitteln?
- Mein Essay visualisiert den kollektiven Traum von anerkannter Staatlichkeit. Ich möchte einen überraschenden Blick auf eine Region werfen, die oft mit den Stereotypen einer ostafrikanischen Krisenregion zu kämpfen hat. Ich wollte, dass meine Bilder ein Gefühl von Frieden vermitteln. Der Friede ist etwas, auf das die Somaliländer sehr stolz sind.

Wie wurdest du als Fotograf in Somaliland wahrgenommen?
- Es gibt sicherlich Regionen, in denen es einfacher ist zu fotografieren. Die Gesellschaft ist eine sehr konservative. Offen auf der Straße zu fotografieren, ist sehr schwierig. Man braucht die richtigen Kontakte und muss sehr offen kommunizieren, was man vorhat. Das schafft die nötige Transparenz und auch das Verständnis und Vertrauen der Protagonisten.

Wie ist der Kontext zu den einzelnen Bildern?
- Zirkusartisten leisten wichtige Aufklärungsarbeit. Ihre Performances enthalten Vorträge über die Risiken einer Flucht nach Europa, klären über HIV und weibliche Genitalverstümmlung auf.

- Ein Bild zeigt Gesprächskreise vor einer Privatschule, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, junge Männer und Frauen zu verantwortungsvollen Führungskräften auszubilden.

- Die Militärparade findet am Tag der Unabhängigkeit von Somalia statt, die zwar international nicht anerkannt wird, für die Somaliländer jedoch enorm wichtig und identitätsstiftend ist.

- Ein Bild zeigt Zuschauer eines Fußballspiels. Fußball spielt bei den jungen Somaliländern eine große Rolle. Es gibt sogar ein Nationalteam, das jedoch von der FIFA nicht anerkannt wird.

- Die Nomaden in einer Oase stehen für die Auswirkungen des Klimawandels. Die Dürren der letzten Jahre zwangen viele Familien zur Flucht innerhalb des Landes. Erst stirbt das Vieh, dann sterben die Menschen, so sagt man sich dort.

- Das letzte Bild zeigt Studierende nach der Arbeit an den Bienenstöcken der Universität. Mit der Fakultät für Landwirtschaft und Umwelt will die Universität zu einer Wende in der Nahrungsmittelproduktion beitragen und den Weg in eine industrielle Landwirtschaft bereiten.

Warum hast du genau diese Bilder ausgesucht?
- Mir war es wichtig, überraschende Bilder zu zeigen. Bilder, die sich nicht direkt entschlüsseln lassen und mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten.

Wie ist die Serie entstanden?
- Die Bilder sind mit einer analogen Mittelformatkamera und einer digitalen Kleinbildkamera mit angeklebtem Sucher entstanden.

Wie bist du zur Fotografie gekommen?
- Mit 16 merkte ich, dass ich mit der Kamera, mit der ich meine Freunde immer beim Skaten filmte, auch fotografieren konnte. Kurze Zeit später entdeckte ich die alte analoge Spiegelreflexkamera meines Vaters. 2014 begann ich ein Fotografie-Studium an der FH Dortmund.

Was fotografierst du am meisten?
- Ich arbeite hauptsächlich an Essays, die ich über einen längeren Zeitraum verfolge. Das gibt mir die Möglichkeit, mich tiefer in meine Themen und Fragestellungen einzuarbeiten. In meinen Arbeiten kombiniere ich meist Porträts mit dokumentarischen Aufnahmen.

Hast du Vorbilder in der Fotografie?
- Alec Soth, Bieke Depoorter, Tim Hetherington, Sanne de Wilde, Rob Hornstra …

Wo und wem zeigst du deine Bilder?
- Ich zeige meine Arbeiten in Ausstellungen, bei Fotofestivals, in Magazinen.

Welche persönliche Bedeutung hat die Fotografie für dich?
- Die Fotografie ist für mich ein Medium, das mir erlaubt, mich in Situationen zu begeben, in die ich ohne die Kamera nie gekommen wäre. Sie ist wie ein Schlüssel zur Welt, ein Schlüssel zu den Themen und den Menschen, die mich interessieren.

 

 

Preisträgerfotos + 2020 + Alter: 21–25 Jahre