Friedemann Hoerner
Tübingen, 21 Jahre
Deutscher Jugendfotopreis 2002
Jahresthema: Ein Bild von mir
Jurybegründung
Friedemann Hoerner zeigt sich und seine Freundin in kompletter Selbst-Entblößung. Die Inszenierung geschieht hierbei auf eine selbstbewusste Weise und in hoher künstlerischen Qualität. Dadurch wird die bei dieser Thematik drohende Gefahr von Indiskretion oder Pornografie vermieden.
Interview
Interview mit Friedemann Hoerner
Warum schickt man denn, wenn das Thema »Ein Bild von mir« heißt, ausgerechnet ein Foto ein, das einen Augenblick expliziter Zweisamkeit dokumentiert?
Ich hatte erst überlegt, eine andere Serie einzuschicken, Selbstportraits von mir allein. Aber dann habe ich mich für diese Bilder entschieden, weil ich ein bisschen euren Geschmack kenne und was Ungewöhnlicheres zeigen wollte… Es geht darum, einen Blick auf unsere Umarmung zu werfen. Die Bilder sind nur ein kleiner Teil von meinem Leben – wie alle Fotos. Es ist nur ein Bild von mir und meiner Freundin. Ich spüre den Anderen und »sehe« die Schönheit der Umarmungen. Ich finde die Bilder nicht sehr erotisch, aber interessant, weil es viele Symbole und Rätsel und eine spacige Atmosphäre gibt. Dann kann man anfangen, nachzudenken oder eher zu assoziieren. Das finde ich wichtiger als eine klare Aussage.
Die »Stellungen« sehen so perfekt aus – fast wie ein Ballett – dass man meinen könnte, ihr hattet einen Spiegel an der Decke? Oder sind die ganz intuitiv entstanden?
Die Bilder kommen »von innen heraus« – das war auch der Grund, warum ich sie gemacht habe, weil ich es so faszinierend fand, wie sich die Formen im Schlaf von selbst ergeben. Deshalb auch der Blick von oben. Es sollte ein Projekt über einen längeren Zeitraum hinweg werden: Man musste nur die Decke wegtun, das Licht anschalten und den Auslöser drücken, alles vom Bett aus. So ganz aus dem Leben wirkt es dann vielleicht doch nicht, weil die meisten Fotos von einer »Session« stammen und die Kamera keinen Motor hatte…
Hattest du dir vorher bewusst Grenzen gesetzt, was du zeigst, und was nicht?
Keine Zensur, es ist doch kein Softporno. Die Auswahl ist vor allem nach fotografischen Gesichtspunkten gemacht: »Wie kann ich die Aussage am interessantesten machen?«
War deine Freundin mit der Idee einverstanden?
Erst habe ich gezögert, ihr die Idee zu erzählen. Aber sie hatte kein Problem damit, im Gegenteil – es war ja erst nur für uns. Und als die Prints fertig waren und ich gefragt habe, ob ich sie zeigen oder ausstellen kann, hat sie nur wissen wollen, in welchem Zusammenhang.
Ganz geschickt ist ja an deinen Bildern, dass du nicht »richtig« Sex zeigst, man es aber trotzdem sofort assoziiert. Und Sex ist ja nochmal was ganz Spezielles: Man ist in einem absoluten Cyberspace, der sich gar nicht fotografieren lässt.
Naja, es sind eigentlich Umarmungen, Sex ist in den Bildern nicht wichtig für mich. Es ist der Blick auf eine Beziehung, oder auf einen Teil davon. Der Effekt der Bilder ist schon komisch, auch für mich, es könnte eine Art Performance sein. Der Titel, »Intimidité«, sagt auch etwas darüber, worum es geht: Intimität und Schüchternheit. Aber das ist eigentlich nicht das richtige Wort dafür, auf deutsch wäre das eher »Scheuheit«. Und »Vertrautheit«.
Machst du sonst auch Aktfotos? Vielleicht auch von dir selbst? Nackte Männer gab es ja beim DJF noch nicht so oft zu sehen.
Ich habe Aktfotos gemacht, auch von mir, es ist aber nicht so ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Es ist interessant, Leute nackt zu fotografieren, auch nur als Portrait. Denn wenn man nackt ist, muss man sich öffnen und wird verletzlich oder auch verführerisch. Aber leider sind klassische Aktfotos meistens langweilig.
Ab welchem Punkt sind denn Fotos (generell) deiner Meinung nach pornografisch?
Pornografisch sind für mich platte Fotos mit Fleisch und zuviel Zucker oder auch eklige. Ich denke, es gibt erotische Pornofotos und wenig erotische Aktfotos.
Was heißt »zuviel Zucker«? Und vor allem: Wann genau wird es eklig? Das ist doch die schwierige Frage…
»Zucker« soll bedeuten: Wenn man merkt, dass es Puppen sind, mit Softfilter und kitschigen Accessoires… Mit »eklig« meine ich ästhetisch gesehen eklige Fotos mit schlechtem Licht und dreckigen Farben, auf denen die Körper aussehen wie magere Tiere und wo keine Freude ist, sondern nur Befriedigung. Der Punkt, wann man kotzt oder fasziniert ist, ist wohl bei jedem verschieden.
Wie hast du es eigentlich geschafft, die Kamera an der Decke zu installieren?
Ich habe ein Lampenstativ mit Klammer senkrecht vom Boden aus an der Decke blockiert und an der Klammer waagrecht ein Fotostativ festgemacht, mit Kamera und Fernauslöser. Direkt neben dem Bett hing an zwei Schnüren eine lange Neonlampe, seiten- und höhenverstellbar. Aber wir sind nicht die ersten, die eine Weile lang in einer Installation lebten…
Interview: Nina Stuhldreher