Fotogruppe »NM 47« -
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Fotogruppe »NM 47« -
Fotogruppe »NM 47« -
Fotogruppe »NM 47« -

Fotogruppe »NM 47«

München, Ø 10 Jahre

Deutscher Jugendfotopreis 2002
Fotogruppenpreis

Sonderpreis für Fotogruppen
Photoindustrie-Verband e.V. 

Jurybegründung    Interview     

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Jurybegründung

Schrille Bilder sind das Ergebnis eines Fotoprojekts in einer Flüchtlingsunterkunft. Man sieht die Freude, die alle Beteiligten beim Fotografieren hatten – sowohl vor, als auch hinter der Kamera. Kinder laufen auf die Kamera zu oder vor der Kamera weg; dabei entstehen Bilder in ungewöhnlichen Kompositionen, die ein Gefühl davon vermitteln, wie sich die Kinder in ihrer tristen Umgebung arrangiert haben.
Die Arbeit ist ein gelungenes Beispiel, wie man Kindern Spaß an Fotoaktionen vermitteln und sie zur Selbst-Darstellung ihrer Lebenssituation animieren kann.

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Interview

Interview mit Andrea Huber, Betreuerin der Gruppe »NM 47«:

Was für eine Fotogruppe ist NM 47 eigentlich?
Die Kinder sind aus einer Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbewerber und kommen ursprünglich aus Kriegs- oder Krisengebieten wie Ostafrika, Togo, Bangladesch, Sri Lanka oder Bosnien. Einige sind auch schon hier geboren und die bosnischen Kinder sind nicht mehr alle da; sie mussten wieder zurück. Das Fotoprojekt war dadurch entstanden, dass ich bei einem anderen Projekt, das ich vorher dort betreute – ein Film mit älteren Jugendlichen –, auch viel fotografierte. Da wollten die Kinder immer meinen Fotoapparat haben oder riefen: »Fotost du mich?« Daraufhin meinte ich, am besten sei doch, sie fotografierten sich selbst, und habe dieses Projekt beantragt, so dass ich vom Betreuungsgeld fünf einfache Kameras kaufen konnte, die ich ihnen in die Hand gedrückt habe. Die fertigen Bilder haben wir dann gemeinsam angeschaut und versucht zu besprechen, was die Kinder schön finden und was nicht und warum.
Diese poppige Ästhetik kommt also von den Kindern selbst? Oder haben Sie durch die Auswahl hinterher sehr stark eingegriffen?
In gewisser Weise habe ich natürlich schon eingegriffen; es waren halt ewig viele Bilder zum Schluss. Aber beim Fotografieren selbst bin ich bewusst nie mitgegangen. Davor hatte es allerdings eine Einarbeitungsphase gegeben, in der ich den Kindern nicht nur gezeigt habe, wie eine Kamera funktioniert, sondern in der auch generell erstmal geklärt wurde »Was ist überhaupt Fotografie, was sind Fotos?«. Die Kinder konnten sich vorher z.B. gar nicht vorstellen, was ein Schwarzweiß-Foto ist, und meinten, Bilder seien doch immer bunt, so etwas ginge doch gar nicht. Sie wussten auch nicht, was »Negativfilm« bedeutet und mussten erst einmal lernen, dass man davon Bilder so groß abziehen kann, wie man will. Dass man da willkürlich Manipulationen vornehmen kann, ist für Kinder anfangs schwer zu verstehen.
Und welche Fotos fanden nun die Kids selbst besonders schön?
Natürlich die, auf denen sie selbst zu sehen waren! Und auf denen sie selbst am coolsten rüberkamen. Viele Fotos, die ich gut fand, fanden sie am Anfang komisch, z.B. wenn ein Finger im Bild war. Ich habe dann immer gesagt, das macht doch gar nichts, das ist doch trotzdem ein gutes Bild. Ich habe versucht, ihnen zu vermitteln, dass nicht nur die Bilder schön sind, wo man sich brav für die Kamera aufstellt, sondern dass man auch einfach spontan abdrücken kann. Wenn mir dann auch solche Bilder gefielen, auf denen der Kopf abgeschnitten war, meinten sie: »Echt, die findest du auch schön?! Eigentlich finden wir das ja auch lustig… aber muss man denn nicht auf einem Bild ganz drauf sein?«
Die Fotos sind so hip und schrill, dass sie auch als Arbeiten für eine Modezeitschrift durchgehen könnten. Finden Sie das eigentlich problematisch – weil es vielleicht den Eindruck davon verfälscht, wie das Leben in so einer Unterkunft wirklich ist?
Nein, das verfälscht es ja eben nicht! Man denkt ja immer, es wäre so tragisch im Asylantenheim, aber ich glaube, dass es vor allem die Kinder nicht so empfinden. Ich weiß von ganz vielen Kindern, deren Eltern inzwischen eigene Wohnungen gefunden haben, dass sie sich inzwischen zurücksehnen nach dieser großen Gemeinschaft. Es gibt ja große Gruppenräume dort, es wird Fußball gespielt oder gebastelt und es gibt Projekte wie dieses hier.
Wie haben die Kinder reagiert, als sie gehört haben, dass sie gewonnen
haben?
Die haben sich total gefreut und waren vor allem deswegen superstolz, weil die Kids, die damals den Film gedreht hatten, »nur« den Münchner Filmpreis gewonnen haben, aber sie sogar den Deutschen Jugendfotopreis – das sei ja noch viel besser! Und eine hat dann plötzlich gemeint: »Aber wir sind doch gar keine Deutschen«.

Interview: Nina Stuhldreher

 

 

Preisträgerfotos + 2002