Julian Röder -
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Julian Röder

Berlin, 21 Jahre

Deutscher Jugendfotopreis 2002
Freie Themenwahl | Altersgruppe D (21-25 Jahre)

1. Preis (Altersgruppe 18-21 Jahre) 

Jurybegründung    Interview     

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Jurybegründung

Julian Röder dokumentiert in seiner Serie die Demonstration der Globalisierungsgegner rund um den Weltwirtschaftsgipfel von Genua 2001. Diesem brisanten Thema nähert er sich, im Vergleich zu der üblichen Bildberichterstattung in den Medien, mit ungewöhnlicher Zurückhaltung an. Die besondere Stärke seiner Fotos liegt darin, dass sie Offenheit ausstrahlen. Der Betrachter bekommt nicht diejenigen präsentiert, gegen die sich der Protest konkret richtet, sondern das »Drumherum«. Und das in allen Details, sehr ästhetisch: »Waschbrettbauch und Pflastersteine«. In manchen Bildern könnte der Standpunkt des Fotografen der Standpunkt eines Beteiligten sein: Ganz nah dran. In anderen Bildern ist wiederum eine gewisse Distanz zu spüren: Handelt es sich bei der Demo nur um einen politischen Akt? Ist es eine Inszenierung? Oder eine ganz spezielle Variante einer modischen Action- und Spaßkultur? Die Bildsprache von Julian Röder bleibt mehrdeutig und ist nie »belehrend«.

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Interview

Interview mit Julian Röder

Die Aufnahmen stammen vom Weltwirtschaftsgipfel in Genua?
Genau, dort war im letzten Sommer das Treffen des internationalen Währungsfonds, das ist die Institution, die darüber entscheidet, welche Länder wofür Kredite bekommen. Meistens ist das an sogenannte »Strukturanpassungs-programme« gebunden, das sind Bedingungen, die z.B. die Privatisierung des Wassers oder der Gesundheits- und Sozialversorgung notwendig machen. Dagegen richten sich wiederum die Proteste der »Globalisierungsgegner«, da es dabei eigentlich immer mehr um Profite und Freiheiten zur Effektivierung der Weltwirtschaft geht. »People, not Profit« war daher der gemeinsame Slogan aller demonstrierenden Gruppen, die dort vor Ort waren, auch wenn sie im Detail verschiedene Ansätze und Ansichten haben.
Den eigentlichen Grund für die Proteste, also das offizielle politische Ereignis, die Politiker selbst, sieht man auf deinen Bildern gar nicht.
Zum einen kam man sogar mit einem internationalen Presseausweis nicht einmal in die Nähe der höchsten Sicherheitszone, da brauchte es ganz spezielle Akkreditierungen. Zum andern haben mich die Globalisierungs-gegner, genauer gesagt die Gegner der kapitalistischen Globalisierung, eh mehr interessiert. Mir ging es vor allem darum, die Leute aus dieser anonymen Masse »rauszuholen« und ihnen wieder ein Gesicht zu geben. Das ist sehr wichtig, weil das in den meisten Berichterstattungen über solche Ereignisse total vernachlässigt wird. Da sieht man dann eben Gewaltszenen, Massenszenen, aber dass es da auch Menschen mit Biographien gibt, das geht dabei total unter. Das kommt dann gerade mal in so einem extremen Fall wie bei Carlo Giuliani heraus, dem Demonstranten, der in Genua von einem Polizisten erschossen wurde.
Siehst du Reportagefotografie dann als politische Strategie? Aufklärungsarbeit ist schließlich auch eine mögliche Form politischen Handelns.
Ja sicher, das ist ja auch die Motivation der alternativen Berichterstattung. Was die in den 70er und 80er Jahren für Kämpfe ausgetragen haben, um irgendwelche Piratensender aufzubauen! Dass es heute international vernetzte, unabhängige Medien wie z.B. »Indymedia« gibt, das in Mexiko bei dem Kongress der Chiapas entstand und zur Grundidee hat, dass möglichst viele Menschen über ein Ereignis berichten bzw. es kommentieren, halte ich für sehr wichtig.
Andererseits sind viele deiner Bilder so atemberaubend ästhetisch, dass sie auch 1:1 in große Nachrichtenmagazine passen könnten. Die Agentur Ostkreuz, bei der du deine Ausbildung gemacht hast, hat sie immerhin direkt in ihr Angebot aufgenommen.
Ich sehe das so, dass ich die Ästhetik ein Stück weit nutze, damit man nochmal genauer hinschaut. Das Bild mit Tränengas und Palmen z.B. zielt natürlich voll auf Ästhetik ab – auf den allerersten Blick könnte es ein Urlaubsidylll sein, während am unteren Bildrand gerade eine nicht ganz ungefährliche Massenpanik abgeht… Man könnte es sozusagen als ein für kommerzielle Aspekte nutzbares Bild bezeichnen, das gleichzeitig Proteste dagegen beinhaltet. Schon problematisch ist das natürlich z.B. bei Kriegsfotos, die ganz klar nach hübschen Gestaltungskriterien aufgebaut sind. Wo man sich dann schon manchmal fragt, ist das jetzt nicht ausbeuterisch gegenüber der Person, die da gerade mit dem Kind im Arm flüchtet? Besonders, wenn man sich dann den Fotografen dazu vorstellt, wie er da steht und sagt »jetzt bitte noch ein bisschen nach links, dann kommt die hübsche Wolke dahinten noch mit drauf«.
Die Manipulation durch den Fotografen ist also gar nicht wegzudenken?
Meiner Meinung nach nicht. Ich kann mit dieser Idee von der »objektiven Berichterstattung« gar nichts anfangen. Allein bei der Frage, wer von wo aus worüber berichtet, ist schon keine Objektivität mehr gegeben. Vor allem muss man bei Reportagefotografie unheimlich aufpassen, nicht in Klischees zu verfallen und Bilder zu reproduzieren, die man selbst in den Medien gesehen hat. Am schwierigsten ist aber diese Gratwanderung zwischen »ästhetisch gestaltet« und »schön«. Soll man Themen wie z.B. Krieg überhaupt mit schönen Bildern darstellen oder versuchen, eine entsprechend »kaputte« Bildsprache dafür zu finden? Ich bin da noch nicht zu einem endgültigen Ergebnis gekommen.

Interview: Nina Stuhldreher

 

 

Preisträgerfotos + 2002 + Alter: 21–25 Jahre