Serie: surfaces
Noah Lübbe
Berlin, 25 Jahre
Deutscher Jugendfotopreis 2024
Experimente
Hauptpreis 500 €
Jurybegründung
Die Serie faszinierender, irgendwie seltsamer Schwarzweiß-Portraits hat die Jury sofort für sich eingenommen. Jedes Bild ein fein komponiertes Portrait, als Ganzes eine sehr schlüssige Serie. Noah Lübbe hat hier keine echten Menschen abgebildet, sondern mit der Großformatkamera Avatare aus Computerspielen mit ihren scheinbar ganz eigenen Emotionen festgehalten. Fragen an das Medium – ist das Fotografie? – und an die Autorenschaft werden gestellt. „Episch.“, so ein Kommentar aus der Jury, der es auf den Punkt bringt. Glückwunsch, Noah.
Interview
Wie bist Du auf die Idee zu Deiner Serie gekommen und was ist dort zu sehen?
- Beim nach Jahren wieder den Fußballsimulator?„FIFA" spielen, war ich einfach begeistert, wie viel sich das Spiel "grafisch verbessert" hatte. Die Avatare und das Spiel wirkten fast, als würde man ein Fußballspiel im Fernsehen verfolgen. Es dauerte dann aber noch eine ganze Weile, bis aus der Faszination an dem Spiel die ersten Porträts entstanden. Zu sehen sind in meiner Arbeit Porträts von Avataren, die wiederum Abbildungen von realen Fußballspieler*innen sind.
Wie war Dein Arbeitsprozess?
- Anfangs habe ich ein paar Tests gemacht und unterschiedliche Bildschirme ausprobiert. Letztendlich habe ich das Spiel an die Wand projiziert und dann mit der Großformatkamera abfotografiert. Ziel bei einem Spiel war es für mich, meine 6 Kassetten à 2 Negative zu belichten. Ausschlaggebend war für mich bei der Auswahl der Motive immer, dass der Gesichtsausdruck des Avatars der Wirklichkeit sehr nahe kommen sollte.
Welche Materialien/ Techniken hast Du verwendet? Wonach hast Du diese ausgewählt?
- Meine Materialien waren eine Playstation 5, Fifa 22, ein Beamer und eine Großformatkamera mit Schwarzweißfilm. Die Großformatkamera habe ich gewählt, da ich langsam fotografieren wollte – da ich sonst eher intuitiv und schnell fotografiere, wollte ich bei dieser Arbeit langsam arbeiten, als Kontrast zum hektischen Spielgeschehen. Der Beamer war praktisch, da ich so die Avatare fast in Lebensgröße vor mir hatte, wenn ich sie porträtierte.
Seit wann arbeitest du mit In-Game-Fotografie?
- Ich habe mit dieser Arbeit 2022 angefangen
Sei ehrlich: Kann man gleichzeitig selbst FIFA spielen und fotografieren? Und wie lange hat es gedauert, bis ein Portrait im Kasten war?
- Ich spielte dann Partien; normalerweise dauern diese so zwischen 12 und 20 Minuten. Da ich das Spiel aber fast durchgängig pausierte, zogen sich meine Partien teilweise auf 2 bis 3 Stunden hinaus. Meistens lief das so ab: Im Spiel schoss der Computer oder ich ein Tor oder foulte. Daraufhin pausierte ich das Spiel, um in der Wiederholung des Moments die Einstellungen für mein Porträt zu finden, und so kamen die langen Spielzeiten zustande.
Was hat Dir am meisten Spaß gemacht? Gab es auch Herausforderungen?
- Die Tatsache, dass ich in der Wiederholung einen Moment, der maximal ein paar Sekunden dauert, stundenlang durchstreifen konnte, aus allen möglichen Perspektiven betrachten und mir die optimale Mimik der einzelnen Avatare aussuchen konnte, und dass, obwohl es sich eigentlich um einen winzigen Moment in der Vergangenheit handelt hat?mich stark beeindruckt. Das langsame Fotografieren war definitiv eine Herausforderung und die Kassetten mit den Negativen zu füllen und zu leeren. Da es in der Wohnung keinen dunklen Raum gab, musste ich teilweise, während ich ein Spiel spielte, in den Hauskeller rennen und die Kassetten wechseln und hoffen, dass in dieser Zeit keine*r der Nachbar*innen in den Keller musste. Das hat zum Glück immer geklappt. Heute würde ich mir glaube ich einen Wechselsack besorgen.
Welche Fragen wirft die Arbeit für Dich auf?
- Was wäre, wenn wir alle solche perfekten Avatare unserer selbst hätten, die nicht altern? Was wenn wir uns mehr und mehr nur noch mit diesen Avataren begegnen? Wie wirkt sich das auf unseren?physischen Körper aus? Wie beeinflussen sich diese beiden Körper? Werden sie ein und derselbe oder bleiben sie unvereinbar??Teilweise ist das ja schon der Fall, z. B. mit Beautyfiltern, die man in Instagram und Co. verwenden kann, um eine makellose Version sich selbst zu schaffen.
Seit wann fotografierst Du und wie bist Du zur Fotografie gekommen?
- Mit neun habe ich meine erste Kamera geschenkt bekommen. Die war dann die ersten Monate auch sehr interessant, aber irgendwann landete sie im Schrank und da lag sie dann bestimmt neun Jahre, bis ich mein Abi machte. Als ein sehr guter Freund auf mich zukam, der gerade das Fotografieren für sich entdeckte, und mich mitnahm auf diese fotografischen Erkundungsgänge. Für uns war das, glaube ich, beide ein Weg, dem Stress um das Abitur herum zu entfliehen.
Fotografierst du lieber analog? Wenn ja, warum?
- Ich habe da keine Vorlieben. Ich finde, es hängt für mich immer von der Arbeit ab und ob das jeweilige Medium die Arbeit unterstützt.
Fotografierst Du auch außerhalb des Spiels? Wenn ja, was fotografierst Du dann? Wenn nein, fotografierst Du auch in anderen Spielen?
- Ja, ich habe eigentlich nur für diese Arbeit mit der In-Game-Fotografie angefangen. Ansonsten fotografiere ich sehr frei, ohne wirklichen Rahmen, außer dass ich es sehen muss.
Was fasziniert Dich an der In-Game-Fotografie?
- Die Möglichkeit, Zeit und Raum zu kontrollieren und Momente stundenlang zu untersuchen und dabei fast alle Perspektiven einnehmen zu können.
Hast Du Vorbilder in der Fotografie?
- Sehr viele, aber für diese Arbeit waren auf jeden Fall Hiroshi Sugimoto und Thomas Ruff meine Vorbilder. Sugimoto wegen seiner Porträts der Wachsfiguren und Ruff wegen seiner ersten Porträts von seinen Mitstudierenden. Diese beiden Arbeiten haben meine Arbeit in der Zeit stark beeinflusst.
Informierst Du Dich über aktuelle Fotografie (künstlerische Trends, Technik etc.)? Wenn ja, dann wo?
- Viel passiert über den Austausch mit Freunden und Bekannten. Ansonsten natürlich Instagram, und ich versuche, mir so oft es geht Ausstellungen anzusehen.
Woran arbeitest Du gerade?
- Aktuell arbeite ich an einer Arbeit aus Bronze. Ich studiere zurzeit Bildhauerei und probiere mich gerade in einigen anderen Medien aus, um daraus vielleicht auch etwas für meine Fotografie zu lernen.