Lennart Jabben - The Modern Human
The Modern Human

Lennart Jabben

Bremen, 18 Jahre

Deutscher Jugendfotopreis 2008
Freie Themenwahl | Altersgruppe C (16-20 Jahre)

Prämie 150 € 

Interview     

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Interview

- Wie bist du auf die Idee zu deinem Bild gekommen?
-- Ich bin der Überzeugung, dass wir uns von technischen Geräten abhängig machen. Wir bauen immer mehr Geräte, die uns das Leben erleichtern sollen und Medien, Werbung und momentane Grundstimmung der Menschen propagieren uns, dass wir mit dem neuesten HD- Fernseher oder einem Handy einer nach einer Obstsorte benannten Firma ein weit glücklicheres Leben führen können. Ich halte das für eine kollektive Sucht. Das neue Handy macht uns 2 oder 3 Wochen lang glücklich, gibt uns bei der Benutzung ein gutes Gefühl. Doch nach dieser Zeit benutzen wir dieses Gerät weiter. Wir empfinden nicht mehr dieses positive Gefühl bei der Benutzung des Gerätes, empfinden aber ein negatives Gefühl bei Nichtbenutzung oder Verlust des Gerätes. Das Gerät wird vom Glücklichmacher zum Lebensstandard. Das ähnelt erstaunlich stark den Symptomen eines Drogensüchtigen. In meinem Bild steht die abgebildete Person (mangels Model bin das ich) für die moderne Gesellschaft. Der Fernseher hingegen steht für all die technischen Geräte. Das Bild beschreibt den Moment, in dem der Menschheit klar wird, dass die "Glücklichmacher" ihr Versprechen nicht halten konnten und sie nun zutiefst enttäuscht hat. Sie fühlt sich verraten, nicht nur vom technischen Gerät, sondern vor allem auch von sich selbst, denn sie war so blind (Augenbinde) dass sie dem falschen Versprechen bedingungslos geglaubt hat. Diese Entrüstung tut die Person auch durch das Zeigen auf den Fernseher und den weit aufgerissenen, schreienden Mund lautstark kund. Die Person (stellvertretend für die modernen Gesellschaft) beschließt, sich von dem Verräter abzuwenden und sich einer Art natürlichen Neuanfang hinzugeben. Im Bild wird dies durch den Koffer (als Symbol des Reisens) symbolisiert.

- Wie ist das Bild entstanden?
-- Ich habe das Bild ironischerweise mit einem recht komplizierten und teuren technischen Gerät geschossen, nämlich damals noch mit meiner Canon 350D. Die Beleuchtung stammte allein von einer (weil ich an dem Ort leider kein anderes Leuchtmittel zur Verfügung hatte) blauen Neonröhre, die auf dem Boden unter der Kamera lag. Außerdem ist das Bild ein HDR, besteht also aus 3 unterschiedlich belichteten Bildern, denn wenn ich nur ein Bild geschossen hätte, wäre entweder der Fernseher vollkommen überbelichtet oder der Rest vollkommen unterbelichtet gewesen. Aus dem Zusammenrechnen der Bilder durch das Programm Photomatix entstand auch dieser nette Schleier um meinen Arm, da ich den Arm nicht über die Auslösezeit von 3 Bildern vollkommen still halten konnte. Da ich selbst vor der Kamera stehe, ist das Bild mittels Selbstauslöser geschossen. In Photoshop CS2 habe ich anschließend das Blau in die Sepiatönung gewandelt, das Bild stark scharfgezeichnet und die Wand im Hintergrund etwas von Unreinheiten entfernt. - Ich muss sagen, dass ich das Bild gerne noch einmal mit einer normalen Beleuchtung und einem Weißabgleich schießen würde, und anschließend die Sepiatönung gegen die natürlichen Farben austauschen würde. Leider besitze ich den Fernseher nicht mehr.

- Wie bist du zur Fotografie gekommen?
-- Ich fotografiere seit ca. 2 Jahren, meine ersten Schritte hatte ich mit einer kleinen 3 Megapixel Kompaktkamera gemacht. Ich kann jedem, der das Fotografieren anfangen will, nur raten, genauso anzufangen und erst wenn er merkt, dass er bei diesem Hobby bleiben möchte, unter Umständen eine teure DSLR zu kaufen.
Ich bin über meine Lieblingsband Rammstein zur Fotografie gekommen. Rammstein ist meine Lieblingsband, weil sie aus meiner Sicht nicht nur gute Musik machen, sondern es auch verstehen, die Leute durch Show und vor allem gut und professionell inszenierte Bilder zu faszinieren. Ich merkte, dass man mit Bildern viel ausdrücken und in ein anderes Licht rücken kann und anderen Leuten mit der Photografie sehr viel besser zeigen kann, was in einem vorgeht als mit Worten. Vor allem faszinierten mich die Aufnahmen, die Gottfried Helnwein für Rammstein machte. Er ist für mich bis heute einer der größten Künstler überhaupt.

- Wo oder wem zeigst du deine Bilder?
-- Ich zeige meine Bilder hauptsächlich in Internetforen, wie zum Beispiel deviantart.com. Dort findet man mich unter der URL http://slash-no1.deviantart.com/ .

- Gibst du deinen Bildern Titel?
-- Ich gebe meinen Bildern grundsätzlich Titeln. Sie ermöglichen es einem, Aussagen unterzubringen, die zwar zum Bild gehören, aber nicht in das Bild selbst einbauen konnte oder nicht wollte. Es kann aber auch sein, dass ein Bild auf sehr verschiedene Art und Weisen zu deuten ist. Dann kann man den Betrachter mit dem Titel ein wenig in Richtung der eigenen Deutungsweise "schubsen". Aus Bild und Titel entsteht immer eine andere, möglicherweise tiefere Wirkung als durch das Bild allein.

- Welche Bedeutung hat die Fotografie für dich?
-- Sie gibt mir die Möglichkeit, mich auszudrücken und meine Auffassungen der wichtigen Fragen dieser Welt einem breiten Publikum (im Internet) zugängig zu machen. Ich möchte Leute außerdem mit meinen Bildern faszinieren, verstören und ihnen vielleicht auch neue Denkanstöße geben. Es ist mir bereits ein paar mal passiert, dass Leute eines meiner Bilder angesehen haben und sagten "so hab ich das noch nie gesehen". Ich finde das ist eine der größten Komplimente, die ein Fotograf bekommen kann. Aus diesem Grund lege ich wenig Wert auf fotografische Grundregeln. Sie sollten nach meiner Auffassung dazu dienen, den Inhalt des Bildes zu unterstreichen und stärker wirken zu lassen. Ich finde jedoch nicht, dass diese Regeln (wie zum Beispiel der Goldene Schnitt etc.) den Inhalt selber darstellen sollten. Nach meiner Auffassung (!) ist ein Bild, das vollkommen diesen Regeln gehorcht, aber keine wirkliche Aussage beinhaltet, zwar sehr nett anzuschauen, aber mehr auch nicht.

 

 

Preisträgerfotos + 2008 + Alter: 16–20 Jahre